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Recycling von Lotmaterial

ohne Qualitätsverlust

Recycling von Lotmaterial

ohne Qualitätsverlust

Innovative und ressourcenschonende Verfahren

Stannol hat ein EU-gefördertes Projekt zum Thema Zinn-Recycling erfolgreich beendet. Im Rahmen des Projekts wurde gemeinsam mit vier kooperierenden Unternehmen und Institutionen erforscht, wie sich bereits verwendete Lotpaste mithilfe neuer, ressourcenschonender Verfahren aufbereiten lässt – und zwar ohne an Qualität einzubüßen.

Weitere themenübergreifende Schwerpunkte waren außerdem die Ermittlung der entstehenden CO2-Emissionen sowie die Erstellung eines nachhaltigen Rückführungskonzepts für gebrauchte Lotpasten. Zudem wurde untersucht, wie eine transparente Lieferkette mittels Blockchain-Technologie sichergestellt werden kann. Stannol hat das zwölfmonatige Projekt federführend geleitet. Unterstützt wurde das Unternehmen dabei von der MTM Ruhrzinn GmbH, dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT), dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) sowie der bpc specialties GmbH. Das Projekt wurde von der EU im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (REACT-EU) gefördert.

Warum Zinn recyceln?

Zinn ist einer der Rohstoffe mit den geringsten Reserven. Außerdem geht mit der Primärgewinnung des Metalls eine enorme Umweltzerstörung einher. Gleichzeitig gehört Zinn jedoch zu den strategischen Technologie-Rohstoffen – zur Herstellung von Elektronikprodukten ist es unabdingbar. Das Problem: Deutschland liegt bei den Recyclingquoten von Zinn weit unter dem internationalen Durchschnitt. Dabei würden nachhaltige Recyclingprozesse dafür sorgen, dass viele Missstände gar nicht erst entstehen.

Wiederverwendung und Zinn-Recycling ist aufwändig

Der Aufwand für die Rückführung von Zinnabfällen in den Produktionsprozess ist enorm. Zinnbasierte Lote aus der Elektronikindustrie werden nach Angabe der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe daher „nur zu einem geringen Anteil“ wiederverwendet, im besten Fall nur anteilig recycelt. Bei chemischen Produkten, zum Beispiel bei Lotpasten und mit Flussmitteln gefüllten Lötdrähten, wird nahezu überhaupt keine Wiederverwendung betrieben, da die Kombination aus Metall und Chemie den Prozess unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten unattraktiv macht. Zusätzlich fehlte es bislang an unternehmensnaher Forschung zur Wertigkeit von Sekundärrohstoffen – vor allem, um Vorbehalten rund um die Qualität dieser zu begegnen. „Genau an dieser Stelle wollten wir mit unserem Projekt ansetzen“, erklärt Ingo Lomp, Leiter Innovation bei Stannol. „Es sollte ganzheitlich erforscht werden, wie sich bereits hergestelltes Metallpulver ohne Qualitätsverlust optimal für die Wiederverwendung aufbereiten lässt um somit eine Lotpaste aus reinen Sekundärmaterialien herzustellen – inklusive nachhaltiger Verfahrenstechnik, praxistauglicher Rückführungsprozesse, transparenter Lieferketten und einer belegbaren CO2-Betrachtung des neuen Verfahrens.“

Lotpulver isolieren

Eine der Hauptaufgaben im Rahmen des Projekts war die Aufreinigung von Lotpulver mit überschrittenem Haltbarkeitsdatum oder aus bereits genutzter Lotpaste. Die technische Herausforderung bestand dabei darin, das Lotpulver aus den Lotpasten so vom enthaltenen Flussmittel zu trennen, dass sich das wiedergewonnene Pulver in seiner Qualität nicht von neu hergestelltem Lotpulver unterscheidet. Gleichzeitig sollte dabei möglichst energiesparend vorgegangen werden. Dazu wurde in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Stannol mit unterschiedlichen physikalischen Trennverfahren gearbeitet. „Die Herausforderungen des Projektes bestanden darin, ein universelles Verfahren zu entwickeln, das es ermöglicht, Lotpasten verschiedenster herstellender Unternehmen zuverlässig aufzureinigen und gleichzeitig den Energieverbrauch und die Umweltbelastung für den Reinigungsprozess gering zu halten“, erklärt Dr. Sven Mönninghoff, Leiter Forschung und Entwicklung bei Stannol.

Wissenschaftlich belegt: Sekundärzinn hat die gleiche Qualität wie Primärzinn

Stannol hat im Rahmen des Projekts zudem eine externe Untersuchung bei der Universität Rostock unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. habil. Mathias Nowottnick in Auftrag gegeben, in der Lotproben aus primärem und sekundärem Zinn vergleichend untersucht wurden. Ziel war es, wissenschaftlich zu belegen, dass sich Primär- und Sekundärzinn in Reinheit und Qualität nicht voneinander unterscheiden.

Das Ergebnis der Analyse: Die kristallografische Untersuchung an den präparierten Mikroschliffen der Proben hat keine sichtbaren Unterschiede zwischen beiden Varianten aufgezeigt. Durch einen chemischen Ätzprozess konnten die einzelnen Kristalle und Korngrenzen in den Zinnproben gut sichtbar gemacht werden – weder beim primär noch beim sekundär gewonnenem Zinn konnten entlang der Korngrenzen Verunreinigungen festgestellt werden.

Rasterelektronenmikroskop und EDX

Die Reinheit der Zinnproben wurde außerdem im Rasterelektronenmikroskop sowie durch energiedispersive Röntgenspektroskopie (EDX) qualitativ mittels Mapping-Scan und quantitativ mittels Punktanalyse mit stöchiometrischer Auswertung analysiert. Die Ergebnisse dieser Untersuchungsverfahren ergeben ebenfalls eine hohe Reinheit der Proben beider Zinnvarianten.

 

Thermische Analyse

In der thermischen Analyse konnten lediglich geringe Unterschiede in einer Größenordnung <0,5 K zwischen sekundärem und primärem Zinn festgestellt werden. Der leicht höhere Schmelzpunkt des sekundären Zinns liegt etwas näher am theoretischen Literatur-Wert der Schmelztemperatur für das reine Zinn. Zusammen mit einer geringeren Standardabweichung der gemessenen Schmelztemperaturwerte beim sekundären Zinn im Vergleich zum primären Zinn lässt sich deshalb auf eine hohe Qualität und Reinheit des sekundären Zinns schließen. „Mit diesen Ergebnissen können wir eindeutig belegen, dass sich Sekundärzinn qualitativ nicht von Primärzinn unterscheidet. Wir hoffen, dass wir damit Vorurteile, die in der Elektronikbranche gegenüber diesem wertvollen Recyclingrohstoff herrschen, endgültig aus dem Weg räumen können“, betont Ingo Lomp, Leiter Innovation bei Stannol.

Rückführungskonzept für Zinnabfälle

Die MTM Ruhrzinn GmbH hat innerhalb des Projekts die Aufgabe übernommen, ein innovatives Rückführungskonzept für Zinnabfälle zu entwickeln, um diese für die Wiederverwendung vorzubereiten. Um ein Produkt mit möglichst geringen Umwandlungsverlusten herzustellen, das nicht nur nachhaltiger ist als das zuvor verwendete, sondern auch digital rückverfolgbar, müssen zunächst die verschiedenen Legierungen und Korngrößen sauber voneinander getrennt werden. Dazu wurden Proben sowohl von neu produzierten als auch von geöffneten und teilweise benutzten Lotpastenbehältern entnommen und untersucht. Die Schwierigkeit: Nicht nur die Lotpasten werden in unterschiedlichen Gebinden wie Dosen, Kartuschen oder Spritzen in unterschiedlichen Größen und mit verschiedener Ausweisung des Inhalts angeboten. Auch die Rückführung der Lotpastenabfälle erfolgt auf unterschiedliche Weise – mal im Originalgebinde, ausgekratzt in Eimern oder in großen Dosen. Oft sind auch unterschiedliche Pasten und Legierungen miteinander vermischt.

Dan Mutschler, Geschäftsführer der MTM Ruhrzinn GmbH, erklärt: „Die Klassifizierung und Trennung der jeweiligen Pasten nach Legierung und Korngröße für die spätere homogene Wiederverwendung sowie die Klassifizierung der enthaltenen Flussmittel für die Aufarbeitung war die größte Herausforderung. Aus diversen Mischchargen die korrekten Monofraktionen für die Aufbereitung zusammenzustellen, erforderte das intensive Denken in Produktspezifikationen, da sonst die Wiederverwendbarkeit nach der Aufbereitung nicht gegeben wäre.“ Die Versuche rund um den Reinigungsprozess haben jedoch klar gezeigt, dass es am Beispiel von Lotpasten möglich ist, Rohstoffe von Flussmittel und Originalverpackung zu trennen.

Daten für die Blockchain

Zusätzlich wurden von MTM Ruhrzinn die Daten über den Inhalt der Behälter ermittelt, die aus Gründen der Rückverfolgbarkeit als Grundlage für einen Demonstrator via Blockchain verwendet werden können. Um eine transparente, aber gleichzeitig datenschutzkonforme Rückverfolgbarkeit der Rohstoffkette sicherzustellen, musste zudem eine neue Datenbank erarbeitet werden, auf welche die Blockchain zugreift. Die gesammelten Daten und Informationen zu verschiedenen Materialien und deren Inhaltsstoffen sind ausreichend, um sie in einem Blockchain-Demonstrator darzustellen. Dies ermöglicht auch die Erstellung eines digitalen CO2-Zertifikats, das die Rückverfolgbarkeit der Materialien garantiert.

 

Umfrage zum Thema Zinnrecycling in Unternehmen

Im Rahmen einer Studie wurden außerdem Unternehmen zu ihren Vorbehalten gegenüber dem Recycling von Zinn befragt. Aus den verschiedenen Fragebögen geht hervor, dass die Mehrheit der Entscheidungstragenden, insbesondere im Bereich der Zinnabfälle, nicht die Notwendigkeit sieht, eine nachhaltigere Verwendung von Materialien in der Produktion zu berücksichtigen. Dan Mutschler: „Die Ergebnisse unserer Studie haben gezeigt, dass es hier großen Aufklärungsbedarf gibt. Entscheiderinnen und Entscheidern in Unternehmen muss klar werden, dass Recyclingmaterial nicht nur die gleiche Qualität aufweist wie Primärmaterial, sondern aus Gründen der Nachhaltigkeit unbedingt an Bedeutung gewinnen muss.“

Blockchain für mehr Transparenz

Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT) war unter der Leitung von Prof. Wolfgang Prinz dafür verantwortlich, mittels Blockchain-Technologie die Transparenz der Lieferkette sicherzustellen und zu erarbeiten, wie die Kreislaufwirtschaft dadurch unterstützt werden kann. Nach der Recherche zu bestehenden IT-Konzepten und Blockchain-Lösungen konnte durch eine eingehende Analyse herausgestellt werden, welche Smart-Contract-Funktionalität sich am besten zur Rückverfolgung der Lieferkette und zur Zertifizierung eines Produkts eignet. Im Anschluss wurde eine an die Anforderungen angepasste Lösung entwickelt. „Zu Beginn war es besonders wichtig, alle Beteiligten auf den gleichen Wissensstand zu bringen, was die Blockchain-Technologie betrifft. Nur so konnte man das System gemeinsam entwerfen. Auch der begrenzte Zugang zu verlässlichen Informationen war eine Herausforderung bei dem Projekt“, erklärt Martin Unkel vom Fraunhofer FIT-Institut. Als Resultat konnte eine prototypische dezentrale Webanwendung (dApp) für eine transparente Kreislaufwirtschaft präsentiert werden. „Für die Zukunft ist es von zentraler Bedeutung, dass die Bereitschaft der Recyclingunternehmen zunimmt, ihre Prozesse rund um die Vorbereitung zur Wiederverwendung von Rohstoffen transparenter zu gestalten“, betont der Experte.

Ausstoß von Treibhausgasen deutlich minimiert

Die Expertinnen und Experten des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) haben im Rahmen des Projekts die Umweltwirkungen der neu entwickelten Verfahren zur Rückgewinnung von Lotpulver im Vergleich zu den Umweltwirkungen von Primärzinn betrachtet. Bewertungsgröße hierfür war der Ausstoß von Treibhausgasen gemessen in CO2-Äquivalenten. Die Herausforderung: Die ökologischen Kennzahlen sind häufig vertraulich und werden von den Unternehmen nicht preisgegeben – wenn sie diese denn überhaupt selbst kennen. Zudem schwanken die Daten zum Primärzinn stark, da sie zu unterschiedlichen Zeiten (zwischen 10 und 20 Jahren) und in unterschiedlichen Regionen ermittelt wurden. „Man muss sich bei diesem Thema vergegenwärtigen, dass es keinen „richtigen“ Wert für die Treibhausgas-Emission eines Stoffes gibt, sondern dass dieser von den Umgebungsbedingungen abhängt, zum Beispiel von der Art des Zinnabbaus, der Art der Stromerzeugung oder der Länge der Transportwege“, erklärt Jan Blömer von Fraunhofer UMSICHT. Klar belegen lässt sich jedoch, dass sich der CO2-Fußabdruck mithilfe der neuen Aufbereitungsverfahren deutlich minimieren lässt: Während der CO2-Fußabdruck-Wert von Lotpaste aus Primärzinn bei rund 38,5 kg-CO2-Äq liegt, misst er bei den neuen Aufbereitungsverfahren nur rund 3,3 kg-CO2-Äq.

 

Maschinelle Aufbereitung

Die bpc specialties GmbH hatte die Aufgabe, planerisch eine Anlage zu konstruieren, die in der Lage ist, gebrauchte Lotpaste maschinell aufzuarbeiten. Dazu galt es, das entwickelte Separationsverfahren technisch aufzugreifen und darauf basierend planerisch eine Maschine zu entwerfen. Wichtig dabei: Das Lotpulver muss in der Anlage möglichst vollständig vom Flussmittel getrennt werden – mit einer Reinheit der Lötzinn-Sphären von über 99,9 Prozent. Die Partikel dürfen dabei außerdem nicht mechanisch beschädigt werden. Weitere Anforderungen: Die Maschine sollte intuitiv zu bedienen, ergonomisch sowie platzsparend sein. Essenziell ist zudem eine leichte Bedienbarkeit, damit kein zusätzliches Fachpersonal dafür eingestellt werden muss.

Fazit des Projekts

Die Laufzeit von einem Jahr ist für ein solch umfangreiches Projekt zu knapp bemessen, um zu abschließenden Ergebnissen zu kommen. Aus diesem Grund wird auf den jeweiligen Gebieten auch künftig weiter intensiv geforscht. „Wir sind mit den bisherigen Ergebnissen sehr zufrieden. Im Laufe des Projekts konnte nachgewiesen werden, dass es möglich ist, mit neuen, umweltfreundlichen Verfahren qualitativ hochwertiges Material zu gewinnen, um umweltschädliche Emissionen zu verringern und Ressourcen zu schonen“, betont Ingo Lomp.

Mehr Infos zum Projekt gibt es unter https://metallpasten-recycling.de/.

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